Nachdem wir in Opuwo keine weiteren Warnungen bezüglich der Cholera-Epidemie erhalten, machen wir uns auf den Weg zu den Epupa-Falls. Nach drei Stunden und 180 km staubiger Piste durch hügelige Landschaft, vorbei an so manchem Himbadorf, erreichen wir es endlich – das palmengesäumte Ufer des Kunene. Der Fluss entfächert sich auf eine beträchtliche Breite und vor uns liegt eine Oase aus Palmen, uralten Baobabs, Wasserfällen mit dazwischenliegenden Inseln und die Formulierung paradiesisch drängt sich geradezu auf.
Wir entscheiden uns bei Ankunft für das Camp direkt am Wasserfall – erfrischende Gischt inklusive, was bei diesen Temperaturen wirklich angenehm ist. Nach einer Weile erscheint Reiter, ein lokaler Guide und bietet uns einen Besuch bei einem Himbadorf an. Wir haben hierzu ein zwiegespaltenes Verhältnis und benötigen noch etwas Zeit, um uns klar zu werden, ob wir dies wirklich möchten. Wir wollen nicht wie die Heuschrecken einfallen, Fotos machen und danach fluchtartig den Ort verlassen. Auch möchten wir nicht eine „Touristenattraktion“ besuchen. Wir möchten uns bewusst viel Zeit nehmen um mit den Menschen in Kontakt zu kommen und uns auszutauschen. Dies alles besprechen wir mit Reiter und entscheiden uns dann, zusammen mit ihm ein Dorf in ca. 18 km Entfernung zu besuchen. Reiters Wurzeln liegen in der Himbakultur, allerdings besuchte er ab dem sechsten Lebensjahr eine Internatsschule und ist daher in beiden Kulturen zuhause. Wir fahren gemeinsam mit unserem Wagen und parken vor dem in traditioneller Weise mit Holzästen umrahmten Dorf. Nun ist uns doch etwas mulmig zu Mute. Sind wir nur neugierige Eindringlinge? Finden wir Zugang zu den hier lebenden Menschen? Doch unsere Bedenken zerstreuen sich schnell, denn Reiter ist ein sehr umsichtiger Guide. Er bittet uns kurz zu warten und fragt um Erlaubnis für den Besuch. Wir freuen uns, als er uns sagt, dass wir willkommen sind und gehen zum Dorf. Unsere Gastgeschenke in Form von einem Sack Maismehl, einem Liter Speiseöl, einem Kilo Zucker und zwei Knorr-Tütensuppen überreichen wir der ersten Frau des Dorfes. Die Begrüßung ist zunächst hölzern, findet man sich doch mit einem Mal in einer Welt wieder, die einem völlig fremd ist. Uns werden eine Getränkekiste und ein kleiner Plastikstuhl zum Sitzen angeboten. Alle anderen sitzen auf dem Boden. Wir verfolgen die Geschäftigkeit der Frauen und Kinder unter dem kleinen Palmendach, das der Dorfgemeinschaft sozusagen als Aufenthaltsraum dient. Es werden Schmuckstücke gefertigt, die uns den Einstieg in eine Unterhaltung liefern. So ist Schmuck eine Tradition mit Bedeutung. Beispielsweise lassen sich an den breiten Reifen an den Fußgelenken ablesen, ob eine Frau kein bzw. ein Kind hat oder zwei und mehrere. Ebenso haben auch die Ketten ihre Bedeutung. Im Gespräch über diese Traditionen tauen wir immer mehr auf und stellen alle Fragen, die uns beschäftigen. So auch die nach den Träumen der Frauen. Die erste Frau des Chiefs würde gerne einmal Deutschland besuchen, wobei wir nicht sicher sind, ob sie wirklich weiß, wo auf der Welt es sich befindet. Eine Tochter des Chiefs wünscht sich sehnlichst einen Mann, was uns zunächst irritiert, da doch Ihrem Schmuck zu entnehmen ist, dass sie bereits mindestens zwei Kinder hat. Doch einen Mann hat sie bisher noch nicht. Ein kleiner Junge wünscht sich Süßigkeiten, ein etwa zweijähriges Mädchen hätte gerne ein Baby und ein Junge von vielleicht fünf Jahren will unbedingt ein Auto – ein echtes versteht sich. Eine der Frauen hat einen Wunsch, der nach dem gemeinschaftlichen Gelächter auf einmal sehr existentiell ist. Sie wünscht sich, dass es regnet. Das hat es seit zwei Jahren nicht mehr und von den ehemals 100 Rindern leben nur noch 8, da es einfach kein Gras mehr zum Fressen gibt. So erfahren wir nach und nach weitere Details der Lebensweise und nach einer Weile erscheint das „im Vorbeifahren“ manchmal so primitiv wirkende Leben in den umzäunten Hütten gar nicht mehr so unvorstellbar. Nach einer langen Zeit der Unterhaltung werden wir durch das „Dorf“ geführt und Reiter erklärt uns, dass jede Frau – der Chief dieses Dorfes hat drei – ihre eigene Hütte hat. In eine dieser Hütten dürfen wir hereinschauen und bekommen die unterschiedlichsten Alltagsgegenstände gezeigt, so auch die aus Horn gefertigten Tiegel, in denen die Frauen Ihr Parfum und die aus geriebenem Stein und Fett gemischte Paste aufbewahren, mit der sie ihre Haut einreiben. Wir dürfen schnuppern und ausprobieren und erfahren immer mehr. So auch, dass der Dorfchief leider im Augenblick nicht anwesend ist, da er für mehrere Tage unterwegs ist, um sich mit den Chiefs von anderen Dörfern zu treffen. Die Regierung Namibias plant einen weiteren Staudamm im Nordwesten des Landes am Kunene zu errichten, was große Auswirkungen auf das Leben der Himbas hätte. Die einzelnen Chiefs beraten nun, wie dem Ansinnen entgegen zu wirken ist. So verabschieden wir uns nach knappen drei Stunden, froh unseren Zweifeln nicht nachgegeben und den Besuch tatsächlich gemacht zu haben.
Wie es vermutlich allen Besuchern der Epupa-Falls ergeht, können auch wir uns von diesem Ort kaum losreißen. So genießen wir die Gegend noch zwei weitere Tage, baden in den natürlichen Pools und bestaunen das wunderschöne Naturschauspiel der vielen verschiedenen Fälle noch eine Weile – Regenbogen inklusive. Dann geht´s wieder zurück nach Opuwo, wobei sich die Stadt beim kurzen Zwischenstopp sehr viel angenehmer präsentiert als auf unserem Hinweg. Wir nächtigen ein Stück weiter südlich beim Camp „Aussicht“, das seinem Namen alle Ehre erweist und können am nächsten Morgen die auf dem Gelände betriebene Dioptase-Mine besichtigen. Dann wollen wir nur noch ans Meer. Doch das ist noch ein gutes Stück Weg und drei platte Reifen entfernt… Doch die Landschaft ist grandios und auch das Reifenwechseln klappt von mal zu mal besser und so erreichen wir nach drei weiteren Tagen Hentiesbay. Doch mehr zum Meer beim nächsten Mal…