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Die Nullarbor! Esperance bis Ceduna: 1.359 km – macht 15.072 km

Die Nullarbor. Rund 1.300 Kilometer, dazwischen ab und an ein Roadhouse, sonst nichts. Außer natürlich viel Natur und viel Weite und manchmal auch viel Verkehr. Wir dachten, diese besondere Strecke verdient einen besonderen Bericht und so dürft Ihr beim Lesen genau so viel Durchhaltevermögen aufbringen, wie wir beim Radeln der Strecke!

In Esperance entscheiden wir uns dafür, nicht über Norseman zu fahren, sondern den direkteren Weg über Condingup zu nehmen. Dieser ist etwas kürzer als die Straße, mündet dafür aber nach einigen Kilometern Teer in eine Piste, über deren Zustand wir unterschiedliche Informationen bekommen. Verkehrstechnisch wird es auf jeden Fall deutlich ruhiger sein als auf dem Highway, was uns jedoch genau erwartet, werden wir erst wissen, wenn wir unterwegs sind.

Tag 1 der Nullarbor-Etappe: Montag, 05. Oktober
Esperance – Gondingup – Bushcamp: 116 km
5:22 Std. reine Fahrzeit – 21,57 km/h Durchschnitt – 326 Höhenmeter

Ausschlafen ist nicht – schnatternde Vögel und zusammenpackende Nachbarn auf dem Campingplatz wecken uns um sechs. Wir bleiben noch etwas liegen und rödeln dann ebenfalls unser Zeug zusammen. Dann gibt’s Müsli mit Apfel und echter Milch und ein paar nette Worte mit einer Lehrer-Austauschfamilie aus Kanada. Um kurz nach neun geht’s los. Der Wind ist mit uns, die Straße flach und wir kommen gut voran. Gegen Mittag erreichen wir Condingup und als wir uns gerade zum kalte-Pizza-von-Gestern-Essen auf den Sportplatz-Pfosten niedergelassen haben, fährt ein uns bekannter Sprinter auf den Platz. Lyn, diesmal in Begleitung ihrer Freundin Joy aus Brisbane. Wir bekommen Kaffee und selbstgebackenen Fruitcake angeboten – sehr lecker – und plaudern eine Weile. Dann füllen wir unser Wasser auf (28,5 Liter), fragen in der Taverne noch mal kurz nach dem Zustand der weiteren Strecke („Was, ihr seid schon so weit gefahren und sorgt euch über das kurze Stückchen Piste?“) und treten dann unterstützt vom Wind nochmal kräftig in die Pedalen. Gute Straße, wenig Verkehr. Irgendwann hält ein Wasser-Truck am Straßenrand und der Fahrer hält ein nettes Schwätzchen mit uns. Er wusste vom Funk der Truckis, dass wir auf der Straße sind und dachte er fragt mal, ob alles in Ordnung ist. Was die Truckis über uns gesagt haben hat er nicht verraten. Gegen halb fünf – wir haben inzwischen die Piste erreicht und der Wind wird langsam ungemütlich – finden wir ein Übernachtungsplätzchen im Busch, ein paar Meter abseits der Straße. Zelt aufbauen, Mini-Katzenwäsche – das Wasser ist kostbar – umziehen, Instantnudeln mit frischer Paprika, eine Tasse heißen Tee gegen die Kälte, eine Orange für die Gesundheit, Kekse für´s Gemüt, Zähneputzen und ab ins Zelt. Draußen ist es Dunkel und ungemütlich. 18.30 Uhr. Bericht schreiben, Schlafen.
Ach ja, wir waren heute nicht allein unterwegs. Jeder von uns hatte etwa 60 blinde Passagiere auf dem Rücken sitzen und etwa 15 der gleichen Gattung im Gesicht herumschwirren – Ohren, Augen und Nasenlöcher waren besonders beliebt. Das war unser bisher nervigster Fliegentag. Und abends entdecken wir hunderte winziger Punkte auf unseren Klamotten: Fliegensch…

Tag 2 der Nullarbor-Etappe – Dienstag, 6. Oktober
Bushcamp – Bushcamp: 85 km
5:20 Std. reine Fahrzeit – 15,89 km/h Durchschnitt – 269 Höhenmeter

So schlecht haben wir schon lange nicht mehr geschlafen. Es hat die ganze Nacht hindurch gestürmt, die Bäume haben geknarrt, als wollten sie ihre Äste abwerfen und ein paar Mal hat es geregnet. Naja, wenigstens haben wir genug Wasser für starken Kaffee dabei. Um sechs sind wir dann endgültig wach – ein Känguru hüpft direkt am Zelt vorbei.
Um sieben krabbeln wir dann raus, frühstücken – Kaffee, Müsli mit Apfel und Instantmilch – packen zusammen und um 8.30 Uhr sitzen wir wieder auf den Rädern.
Die Piste ist in recht gutem Zustand, doch die Landschaft ist eintönig, um nicht zu sagen langweilig. Je ein Streifen Buschland rechts und links der Straße, dahinter Farmland. Als wir nach einer Stunde und knapp 20 km zum Dehnen stoppen, tue ich meine Langeweile kund: „Ganz schön fad hier.“ Kaum ausgesprochen hüpft ein Känguru nicht weit von uns über die Straße, als wollte es uns vom Gegenteil überzeugen.
Nach weiteren 6 km endet das Farmland und die Piste wird deutlich schlechter. Wir ruckeln und holpern über steinigen Untergrund, ab und an gibt es etwas bessere Passagen, dann wieder schlechtere. Der Wind wechselt immer wieder seine Richtung und kommt auch oft frontal, aber deutlich schwächer als gestern. Als ich nach knapp 50 km einen Stein so blöd erwische, dass ich mich fast auf die Nase lege, machen wir Mittagspause. Die ist jedoch eher mäßig erholsam, da uns neben den Fliegen heute auch noch eine Menge Marshflies – ähnlich der heimischen Bremsen – bedrängen. Das hatten wir bisher noch nicht. Zum Glück hilft das Moskitospray und die Stecherei lässt etwas nach. Es gibt mit Salat, Käse und Rote Bete belegte Sandwiches. Danach Rosinen- bzw. Nutellabrot mit Banane, begleitet von einem Summkonzert der Insekten – wenig entspannend. Also wieder rauf auf die Räder und weiter über die steinige Piste. Um 16.30 Uhr suchen wir wieder nach einem Nachtplatz im Buschland. Zelt aufbauen, Katzenwäsche, heißen Kakao, Gemüse-Curry mit Reis und noch einen warmen Tee gegen die Kälte, mit Keks. Spülen muss auch noch sein.
19:45 Uhr und 8,6 Grad. Brrrrrr. Zeit für den Schlafsack. Ach ja, wir haben die Piste heute mit nur vier Autos geteilt. Das gab’s schon lange nicht mehr.

Tag 3 der Nullarbor-Etappe: Mittwoch, 7. Oktober
Bushcamp – Balladonia Roadhouse: 74 km
5:26 Std. reine Fahrzeit – 13,58 km/h Durchschnitt – 176 Höhenmeter

Wir haben sooo gut geschlafen! Trotzdem fällt mir das Aufstehen schwer. Zu viele schmerzende Muskeln überall. Uwe macht schon mal Frühstück – Müsli mit Apfel und Instantmilch und echten Kaffee, dann stehe ich auch auf. Spülen, Buschtoilette, zusammenpacken und um 9.15 Uhr drehen sich die Pedalen. Die Strecke ist ähnlich wie gestern, nur dass sich zu den Steinen noch Wellblech und Gegenwind hinzugesellen. Wir kommen also noch langsamer voran. Zwischendrin entdecken wir eine Carpet-Snake (Teppichschlange, ungiftig), die sich am Straßenrand entlang schlängelt.
Nach 40 km und um kurz nach eins dann Mittagspause mit Salat- und Käsebroten, Fliegen und Marshflies – nerv – und Nutellabrot mit pistengematschter Banane zum Nachtisch.
Nach einigen weiteren Kilometern gibt es wieder etwas bessere Pistenabschnitte, die, je weiter wir uns dem Highway nähern, immer länger werden. Das ist auch gut so, denn sonst würden wir es nicht mehr im Hellen bis zum Roadhouse schaffen und eine weitere Buschnacht ist mangels Wasser nicht drin. Schade eigentlich, denn trotz der Anstrengung hat uns die Strecke gut gefallen und das letzte Buschcamp war eins der schönsten überhaupt. So friedlich und nicht ein Auto zwischen Zeltauf- und Zeltabbau. Das wird auf der Nullarbor anders sein. Als wir gegen 17 Uhr das Balladonia Roadhouse und damit die Nullarbor erreichen, gibt es zur Belohnung und zum sofortigen Auffüllen der Energiespeicher ein Eis für jeden. Zelt aufbauen, heiß Duschen, Wäsche waschen und zur Feier der heute überschrittenen 14.000 Kilometer gehen wir einen Burger essen. Wir haben einen Bärenhunger und leider dauert das eher mäßige Essen Ewigkeiten. 20.30 Uhr, wir sind hundemüde, noch schnell Bericht schreiben und ab ins Bett und den vorbeidröhnenden Trucks lauschen. Na, da hört man wenigstens den Generator des Roadhouses nicht. Und es ist immer noch viel zu kalt: 12,2 Grad.

Tag 4 der Nullarbor-Etappe: Donnerstag, 8. Oktober
Balladonia Roadhouse – Baxter Rest Area: 116 km
6:58 Std. reine Fahrzeit – 16,46 km/h Durchschnitt – 107 Höhenmeter

Mache Tage beginnen schon mit einer Vorahnung. Um kurz nach sechs geht’s aus dem Zelt, zusammenpacken, Müsli-Apfel-Instantmilch-Frühstück gefolgt von einem Blueberry-Muffin vom Roadhouse zum Teilen. Uwe tankt unsere Flasche für den Benzinkocher auf, ich die Wasserflaschen. Bei dem Versuch, mit Uwe’s Wasserflasche in der Hand auf mein Rad zu steigen, falle ich samt diesem um. Dumm gelaufen aber nix passiert. Um 8.30 Uhr verlassen wir das Camp. Kurz darauf passieren wir das klassische Achtung, frei laufende Kängurus, Kamele und Emus-Schild. Uwe will ein Foto machen, doch beim Anhalten auf dem etwas abschüssigen, geschotterten Seitenstreifen rutscht er auf den runden Limestones so blöd weg, dass er unter dem Rad landet. Schürfwunden an Hand, Unterarm und Bein, und ein schmerzender Rücken. Doch nach dem ersten Schrecken geht es wieder und wir radeln weiter. Nach 35 km Fotostopp für das berühmte „längste-gerade-Strecke-Australiens“-Schild, diesmal ohne Hinfallen. Kurz darauf ein weiterer Fotostopp für den Emergency-landing-strip mitten auf der Straße. Und weiter geht’s. Buschlandschaft, Abschnitte mit Bäumen und Grasland wechseln sich ab. Mittagsstopp mit Kräckern, Schmierkäse und Salatgurke, dazu ein nettes Gespräch mit einem Ehepaar so um die sechzig, die nach 15 Jahren in Alice Springs gerade auf dem Weg in ein neues Leben nach Perth sind. Sie sind äußerst radbegeistert und waren gerade erst in Frankreich, um die Tour de France zu verfolgen und einige der Bergpässe selbst zu radeln. Sie sind schätzungsweise so um die sechzig.
Weiter geht’s. 37,1 Grad zeigt das Thermometer tagsüber. Buschland, Grasabschnitte, Bäume, Büsche…. Leider verpassen wir dann die letzte Gelegenheit zum Bushcamping. Es sind keine Büsche mehr da. Oder besser gesagt nur noch recht vereinzelte Büsche, die nicht mehr dazu taugen, ein Zelt dahinter aufzubauen. Was zunächst lustig klingt wird urplötzlich mächtig anstrengend, denn der Wind dreht von jetzt auf gleich von NNO auf reinrassigen Ost- und damit auf puren Gegenwind, der von jetzt auf gleich auch noch kräftig zulegt. Da heißt es in die Pedalen treten und kämpfen, denn bis zum Rastplatz sind es noch 18 km und die Sonne wird für heute nicht mehr lange am Himmel stehen. Mit mageren 10-11 km/h brauchen wir fast zwei Stunden und schaffen es gerade. Eine Viertelstunde nach Sonnenuntergang bauen wir im allerletzten Dämmerlicht das Zelt auf und sind total geschafft. Für die Katzenwäsche sorgt ein Feuchttuch und für’s Abendessen eines der drei schon lange mitgeschleppten Outdoorfood-Notfallrationen. Wasser heiß machen, aufgießen, ziehen lassen und – essen. Und schlafen. Und vorher noch Bericht schreiben, auch wenn man müde ist und eigentlich keine Lust mehr hat. Gute Nacht!

Tag 5 der Nullarbor-Etappe: Freitag, 9. Oktober
Baxter Rest Area – Caiguna Roadhouse: 68 km
4:01 Std. reine Fahrzeit – 16,89 km/h Durchschnitt – 74 Höhenmeter

So gut habe wir schon lang nicht mehr geschlafen. Da merkt man erst, wieviel Regeneration und Kraft ein wirklich tiefer Schlaf mit sich bringen kann. Um kurz vor sieben wärmt die Sonne heute schon so sehr, dass es im Schlafsack schon fast unerträglich ist, auch wenn das Zelt vom Tau der Nacht noch pitschenass ist. Also erstmal alles aus dem Zelt zusammenrödeln, frühstücken – das übliche Apfel-Instantmilch-Müsli – spülen und dann das Zelt abbauen. Als wir unseren Weg um 8.50 Uhr in Richtung Osten fortsetzen, kommt der Wind wieder aus der falschen Richtung. Die Landschaft besteht überwiegend aus ewig weiten Grasflächen mit vereinzelten Sträuchern und Büschen. Der Verkehr ist etwas weniger als gestern, allerdings gilt es immer den Rückspiegel zu beobachten, denn bei dem Gegenwind hört man den von hinten kommenden Verkehr erst, wenn er schon da ist. Und wenn von vorn und von hinten gleichzeitig ein Roadtrain angerauscht kommt, heißt es runter von der Straße und zwar ziemlich zügig. Und dann urplötzlich wird unser im heißen Norden tagtäglicher gehegter Wunschtraum Wirklichkeit: ein Auto überholt uns, wird langsamer, hält ein Stückchen vor uns auf dem Seitenstreifen an und als wir auf gleicher Höhe mit ihm stoppen, öffnet sich die Fahrertür. Ein Mann steigt aus und streckt uns zwei eisgekühlte Pepsi-Dosen entgegen. Unglaublich aber wahr! Jetzt wissen wir, wo die ganze Zeit der Fehler lag: Wir haben uns immer Coca-Cola visualisiert – Pepsi heißt die Lösung!
Zuckergestärkt geht es weiter dem Wind entgegen. 5 Kilometer vor dem Caiguna Roadhouse befindet sich ein Blowhole, eine Art unterirdischer Luftschacht, durch den die Erde „atmet“. Es strömt ein kühler Luftzug aus einem Erdloch, der, so entnehmen wir dem Hinweisschild, manchmal mit bis zu 72 km/h bläst. Recht interessant und vor allem erfrischend. Der Gegenwind bringt es vergleichsweise „nur“ auf etwa 20 km/h, doch das reicht uns und wir beschließen für heute etwas früher – 14.30 Uhr – Schluss zu machen. Kurz vor der Einfahrt zum Roadhouse erreichen wir das Ende des längsten geraden Streckenabschnitts und kommen mit Peter und Dorothy ins Gespräch, die dieses Schild gerade fotografieren. Wir plaudern eine Weile und sie laden uns für später auf einen Rotwein in ihren Caravan ein.
Wir checken am Roadhouse für den Campsite ein, bauen das Zelt auf und kochen Nudeln mit Gemüse-Tomatensauce und Parmesan. Die Sauce gleich in doppelter Portion für Morgen. Lecker! Danach Streckenplanung nach der Windvorhersage, spülen, Fahrradketten spannen und ölen, duschen, Wäsche waschen und schon haben wir den Sonnenuntergang verpasst. Auf dem Weg zu Peter, Dorothy und dem Rotwein bleiben wir bei einem anderen netten Paar hängen und tauschen auch hier unsere Geschichten aus. Wir könnten noch länger plaudern, doch haben wir die eine Einladung ja bereits zugesagt. Also ab in den Wohnwagen und schnell sind eineinhalb gesellige Stündchen vergangen. Anschließend – wir haben schon wieder Hunger – nehmen wir noch eine Portion warme Minestrone und Potato Wedges im Roadhouse ein. Dazu erstehen wir noch 4 Äpfel für 8 $, das sind etwa 5,50 €. Mit dem Wort `remote´ = Abgeschiedenheit lässt sich in Australien viel Geld verdienen. Dazu noch eine Packung Toast zu für hiesige Verhältnisse normalem Preis. Die Mini-Müsli-Packungen für 3,50 $ sind uns jedoch definitiv viel zu teuer. Und ja, wir gestehen es, wir kaufen die mit 9,90 $ bisher teuerste Schokolade unserer Reise. Da müsst Ihr jetzt schon selber umrechnen. Aber für 200 g. Das Gewicht macht allerdings keinen wirklichen Unterschied, denn sie ist sofort verschlungen. Genauso wie der Tag. Ratzfatz ist er um. Es ist jetzt 22.44 Uhr und eigentlich wollten wir morgen früh raus… Mal sehen, ob das klappt. Ohrenstöpsel rein und das nervige Rattern des Generators wird etwas leiser. Leider aber auch nur leiser. Das ist einer der ganz großen Nachteile des Übernachtens an Roadhäusern.

Tag 6 der Nullarbor-Etappe: Samstag, 10. Oktober
Caiguna Roadhouse – Cocklebiddy Roadhouse – Moonera Tank Rest Area: 111 km
6:06 Std. reine Fahrzeit – 18,19 km/h Durchschnitt – 161 Höhenmeter

Bereits beim Aufwachen verheißt der Wind nichts Gutes. Trotzdem er nicht gerade zimperlich bläst, sind sowohl das Zelt als auch unsere gestern gewaschenen Radklamotten nass. Wir können uns also Zeit lassen mit unserem Müsli-Apfel-Instantmilch-Kaffee-Frühstück und unserem Waschhausgang. Aber eigentlich wollen wir ja los. Also wird das Zelt eben diesmal feucht eingepackt und die noch nicht trockene Wäsche auf den Lenker und die Packtaschen umgehängt. Der Fahrtwind wird’s schon trocknen. Doch wir kommen dann doch noch nicht los. Nachdem wir für 9 $ immerhin 6 Eier erstanden haben um morgen unseren Müslivorrat zu schonen, quatschen wir uns erst mit einem Ehepaar und dann mit einer fünfköpfigen Familie fest. Sie haben ihr Haus verkauft, ihre drei Mädels an der „Distanz-Schule“ angemeldet und reisen nun auf unbestimmte Zeit durch ihr eigenes Land. Und sie haben gerade ein kleines Känguru-Joey (Känguruh-Junges) entdeckt, dass offensichtlich seine Mutter verloren hat und ziemlich herzzerreißend traurig dasteht. Das Roadhouse will die Wildlife-Behörde informieren, die sich dann hoffentlich dem Kleinen annehmen. Als wir uns endlich loseisen, schaffen wir nicht einmal einen Kilometer, bevor uns erneut eine dreiviertel Stunde durch die Finger rinnt. Ein großes Schild weist am Straßenrand auf einen Zeitzonenwechsel hin. Gut, dann ist es eben jetzt schon 10:20 Uhr. Auch nicht weiter schlimm. Das Schicksal des kleinen Kängurus scheint symptomatisch für den Tag. So viele Roadkills wie heute haben wir noch auf keiner Strecke gesehen. Und leider müssen wir sie auch riechen. Über 25 tote Kängurus, mindestens 7 zermatschte Vögel, darunter 2 der majestätischen wedgetailed Adler und zwei der hübschen rosa Papageien, sowie diverse mehr oder weniger platt gewalzte Echsen und Schlangen auf 111 km ist ein trauriger Anblick. Bleibt nur zu hoffen, dass die große Zahl an toten Tieren für eine entsprechend hohe Zahl an lebenden Tieren in dieser Gegend spricht. Wie schon einige Male auf unserer Tour zieht Uwe auch heute wieder ein ziemlich frisch überfahrenes Känguru von der Straße in den Graben, damit zum einen kein Auto auszuweichen braucht und zum anderen auch keiner der Raubvögel, die sich gerne an den frischen Kadavern laben, zu einem weiteren Verkehrsopfer wird.
Passend zur Mittagspause erreichen wir wieder ein Roadhouse, wo es für den kleinen Hunger eine Portion Pommes mit Sauce und einen Blueberry-Muffin gibt. O.k. Und einen Cappuccino. Einzig Wasser bekommen wir nicht, da nämlich das Wasser so knapp ist, dass man uns leider keines geben kann. Während wir errechnen, wieviel uns die benötigten 12 Liter bei 6,50 $ pro eineinhalb Liter kosten würden – was wir recht lautstark tun, um unseren Unmut kundzutun – bietet sich ein Ehepaar an, uns mit Wasser aus ihrem Caravan zu versorgen. Sie hatten sich genügend Reserve mitgenommen, die sie aber nun nicht benötigen. Wasser ist hier tatsächlich immer wieder ein großes Thema.
Gestärkt und mit genügend Wasser bevorratet geht es weiter über den zumindest für die Tiere mordsgefährlichen Teer. Glücklicher Weise ist der Verkehr heute recht gemäßigt, genauso wie die Stimmung. Der Himmel hängt voller trüber Wolken, die Luft ist eher schwer und so radeln wir vor uns hin in der Hoffnung, dass es trocken bleibt. Wir erreichen die Rest Area noch gerade rechtzeitig, um unser Zelt im Hellen aufbauen zu können. Abendessen ist einfach: Nudeln kochen und die gestern schon mitgekochte Sauce drüber. Müde. Ab ins Bett.

Tag 7 der Nullarbor-Etappe: Sonntag, 11. Oktober
Moonera Tank Rest Area – Madura Roadhouse – Moodini Bluff Rest Area: 76 km
3:58 Std. reine Fahrzeit – 19,24 km/h Durchschnitt – 108 Höhenmeter

Die Nacht auf der Rest Area war bis auf ein paar wenige, vorbeifahrende Trucks ziemlich ruhig und wir sind schon früh wach – 5.43 Uhr. Das Zelt ist ausnahmsweise auch trocken und so packen wir alles zusammen und schieben die Räder ein Stück vor zu der etwas abgewrackten aber einzigen Tisch-und-Bank-Sitzgelegenheit. Auf jeden Fall besser als auf dem Boden sitzen, denn heute gibt es Rührei mit Zwiebeln, Tomate und einem Rest Oliven. Dazu pfannengeröstetes Toastbrot. Lecker! Doch wir sind etwas unruhig, da der Wind gerade aus der richtigen Richtung kommt. Also schnell spülen und um 8.20 Uhr sitzen wir auf den Rädern, den Wind im Rücken. Jepeeeh! Doch keine Viertelstunde später halten wir schon wieder an. Am Straßenrand stehen zwei Trucks, einer davon mit hochgeklapptem Führerhaus. Loch im Kühler, so erfahren wir von den zwei, mit ölverschmierten Händen herumbastelnden Fahrern. Die Reparatur will nicht recht gelingen und das mitten auf der Nullarbor. Nach kurzem Gespräch packt Uwe unser Reifenflickzeug aus und einer der Fahrradflicken wird kurzerhand auf das Loch geklebt. Dann noch mit unserem Gewebeklebeband umwickelt und ein nettes Pläuschchen mit den Fahrern gehalten. Der eine von ihnen ist recht zuversichtlich, dass das Loch nun erfolgreich abgedichtet ist. Auf alle Fälle war es eine nette Begegnung und ein schönes Gefühl, vielleicht auch unsererseits einem der so vielen umsichtigen Truckies geholfen haben zu können.
Weiter geht’s. Der Wind bleibt uns wohlgesonnen und die Straße weiterhin von zahlreichen toten Kängurus gesäumt. Einziger Farbklecks ist ein schönes, in rot und orange, von wem auch immer, auf die Straße gemaltes Herz. Und dann fahren die beiden Trucks an uns vorbei. Die Reparatur scheint geglückt, zumindest bis zur nächsten Werkstatt. Nach 45 km und kurz vor Mittag erreichen wir den Madura-Pass, der nach einem faszinierend weiten Blick in die afrikanische Steppe mit ihren Elefanten-, Zebra- und Antilopenherden gut 15 Meter bergab führt. Ja, wir vermissen die afrikanischen Tiere. So oft sind sich die Landschaften allzu ähnlich. Direkt am Fuße des Passes liegt das Madura Roadhouse, an dem wir eine Mittagspause einlegen und auf bekannte und neue Gesichter treffen. Wir verbringen gut zwei gesellige Stunden bei Potato Wedges und Cappuccino. Dann treibt uns der Wind weiter. Zuvor noch den Wasservorrat auffüllen, was auch hier wieder zu einer kleineren Diskussion führt. Wir radeln knapp 24 km bis zur nächsten Rest Area, denn laut Wettervorhersage ist für morgen Gegenwind mit etwa 20 km/h gemeldet und was wir haben, haben wir. 16.30 Uhr. Wir schlagen unser Lager neben einer Sitzgruppe auf, schnell etwas waschen, diesmal sogar sehr luxuriös mit reichlich Wasser und schnell kochen, wir sind schon wieder hungrig. Zwiebel-Knoblauch-Zucchini-Tomaten-Gemüse mit getrockneten Tomaten, Tomatenmark und Curry aufgepeppt und in einen mit Schmierkäse bestrichenen Wrap verpackt. Lecker! Und auf jeden Fall besser als beim Mexikaner in Perth. Zum Nachtisch Nutellatoast mit Banane und einen heißen Kakao. Spülen, Zähneputzen ab ins Zelt. Schlafen ist noch schwierig, denn bei zwei der uns umgebenden Wohnwagen schnurren die Stromaggregate, damit innen ferngesehen werden kann. Nerv. Doch wir wissen, dass sie früher oder später abgestellt werden. Und so ist es auch diesmal. Der erste verstummt um kurz nach acht und der zweite, der wie eine sich drehende Waschmaschinentrommel klingt, wird um kurz nach halb neun abgestellt. Nun hört man nur noch den Wind, über den man aber besser gar nicht erst anfängt nachzudenken, und das unregelmäßige Schnarchen aus einem etwas von uns entfernt stehenden Zelt. Aber zum Glück gibt es ja Ohropax und schlafen ist eh noch nicht, es müssen noch Gestern und Heute geschrieben werden. Geschafft. 22:04 Uhr und inzwischen schnarcht es auch direkt neben mir.

Tag 8 der Nullarbor-Etappe: Montag, 12. Oktober
Moodini Bluff Rest Area – Mundrabilla Roadhouse: 91 km
5:44 Std. reine Fahrzeit – 15,95 km/h Durchschnitt – 24 Höhenmeter

Dies ist einer der Tage, an denen man schon beim Aufstehen weiß – das wird nix. Bereits um halb sechs lärmen die Zeltnachbarn herum. Und der Wind ist auch schon da. Falsche Richtung. Eigentlich möchte man da einfach nur liegen bleiben. Doch das nützt ja auch nicht wirklich. Wir frühstücken also wie üblich und packen zusammen. Um acht sitzen wir auf den Rädern und schon nach ein paar Minuten brauche ich wärmere Sachen. Der Wind ist zu kalt. Wir stoppen gerade passend um zwei Oversize-Trucks mit je einer riesigen Schaufel für irgendeine Superpit-Miene vorbeizulassen. Weiter geht’s. Die Landschaft ist eintönig, die meisten Kängurus tot und der Wind ist stark. Wir kommen nur schleppend voran und haben 90 km vor uns. Kein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man etwa sechs Stunden im Sattel zubringen wird, nur um gegen den Wind anzukämpfen. Kurzer Stopp nach zwei Stunden und 30 km. Weiter geht’s. Dann erblicken wir in der Ferne etwas, das wie ein uns entgegenkommender Radfahrer aussieht. Und so ist es auch. Wir stoppen für ein Pläuschchen und kurz darauf kommen in gleicher Richtung in der auch wir unterwegs sind, noch ein paar weitere Radler hinzu. Diese gehören zu einer größeren Gruppe deren Alter zwischen vielleicht 50 und 73 – das wissen wir genau – Jahren liegt. Sie fahren unterstützt von einem Begleitfahrzeug für ihr Gepäck von Perth nach Newcastle, ihre Heimatstadt, etwa 150 km nördlich von Sydney. Sie laden uns ein, in etwa 20 km die Mittagspause gemeinsam zu verbringen. Und da haben wir dann Gelegenheit, etwas mehr zu erfahren. Da das Mundrabilla Roadhouse auch ihr heutiges Ziel ist, werden wir uns dort später wiedersehen.
Die dann folgenden 30 km sind die Schlimmsten. Wir wollen nur noch ankommen. Haben keine Lust mehr auf Gegenwind. Kurz vorm Ziel dann nochmal zwei Overzise-Trucks, bei deren Herannahen wir freiwillig und schnellstmöglich in den Straßengraben eilen. Wer hätte gedacht, dass die Ladung von heute früh noch zu toppen gewesen wäre. Gigantisch.
Und dann endlich das Roadhouse. Doch auch wenn wir es aufgrund der weiten Sicht schon lange in der Ferne ausmachen können, es dauert weitere 20 Minuten, bis wir es endlich erreichen. Wir checken für den Campsite ein und fragen nach einem für uns abgegebenen Päckchen. Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen mit Roadhäusern, hatten wir trotz gegenteiliger Aussagen nicht wirklich darauf gebaut, dass wir auf der Nullarbor ein kleineres oder gar größeres Sortiment an Lebensmittel vorfinden würden. Und so war es auch. Abgesehen von etwas frischem Obst und den üblichen Getränke- und Schokoladensortimenten waren die Eier schon eine echte Überraschung für uns. Daher hatten wir in Esperance ein Päckchen zusammengepackt, das wir einem holländischen Pärchen mit auf den Weg zu diesem Roadhouse gegeben hatten. Und hier ist es nun: Unser Päckchen mit Müsli- Kaffee-, Kakao-, Mandel-, Instantmilch und Wrap-Nachschub. Super! Das hat ja prima geklappt! Doch unsere Freude wird ein wenig getrübt, als beim Zeltaufbau ein scheußliches Ratsch-Geräusch ertönt und plötzlich ein 50 cm langer Riss unser Zelt ziert. Das auch noch. Wir sind müde. Keine Lust und Energie mehr für so überflüssige Dinge wie Zeltflicken, zumal wir keinen Zeltflicker für so einen kapitalen Schaden haben. Und unser Klebeband reicht auch nicht. Das klebt jetzt auf dem Kühlerloch des Trucks. Doch die Mitarbeiter des Mundrabilla Roadhouses sind sehr hilfsbereit und geben uns eine große Rolle Klebeband, von der wir so viel verwenden können, wie wir brauchen. Also Zeltflicken, alles einräumen, Duschen, Wäsche waschen und endlich etwas essen gehen. Im Roadhouse. Nach Kochen ist uns nicht. Zu müde, zu windig und zu kalt.

Tag 9 der Nullarbor-Etappe: Dienstag, 13. Oktober
Mundrabilla Roadhouse – Eucla Roadhouse: 67 km
4:12 Std. reine Fahrzeit – 15,93 km/h Durchschnitt – 113 Höhenmeter

Wir schlafen aus. Bis zwanzig nach acht. Was für ein Luxus. Uwe allerdings hat die halbe Nacht wach gelegen. Wegen dem Generator. Draußen windet es schon wieder zum am besten im Zelt bleiben. Machen wir auch. Frühstück im Zelt. Nur nach dem Müsli-Apfel-Instantmilch-Frühstück krabbele ich kurz raus, um am Roadhouse ein Stück Kuchen zu kaufen. Ausverkauft. Und der Frische ist noch im Ofen. Also gibt’s stattdessen eine Schokolade zum zweiten Kaffee. Es regnet ein paar dicke Tropfen, hört dann aber wieder auf. Seit Tagen reden alle von 42 Grad Hitze. Wir hätten im Augenblick nichts dagegen, wenn die endlich mal kämen. Wir packen entspannt zusammen und bauen das Zelt ab. Für diese Etappe gönnen wir uns den Luxus von drei 1,5-Liter-Flaschen gekauftem Wasser a`6 $. Zwar wurde uns versichert, dass das Leitungswasser hier trinkbar sei, doch schmeckt es so schlecht, dass wir das nicht schaffen. Und wir haben schon viel schlecht schmeckendes Wasser getrunken.
Um 10:20 Uhr verlassen wir das Roadhouse und freuen uns, dass der Wind etwas weniger heftig weht. Die Freude währt jedoch nicht lang, denn nach unserer Cräcker-mit-Schmierkäse-Gurke-und-rote-Beete-Pause nützt uns auch diese Stärkung wenig. Gleich verpufft im Gegenwind. Doch es ist nicht zu ändern. Allerdings verhält es sich in diesem Falle wie mit der roten Ampel, die, wenn man es besonders eilig hat, einfach nicht umspringen will. Wir wollen ankommen, doch weder Zeit- noch Kilometeranzeige am Tacho bewegen sich. Nach endlos erscheinenden Stunden und dem Erklimmen des Eucla-Passes mit seinen 90 Höhenmetern, erreichen wir das außergewöhnlich herausgeputzte Roadhouse. Es gibt ein Eis zum Auffüllen der Energiespeicher, Zelt aufbauen, duschen und Nutzung der Waschmaschine. Nach dem Wäscheaufhängen radeln wir vom Camp vor zum Roadhouse und gehen essen. Es ist nach ganzen vier Monaten unser letzter Abend in Western Australia. Auch wenn die Grenze nach South Australia nur ein anderes Bundesland markiert, so war es doch sehr schön hier, in WA.

Tag 10 der Nullarbor-Etappe: Mittwoch, 14. Oktober
Eucla Roadhouse – Border Village – Bushcamp: 150 km
6:59 Std. reine Fahrzeit – 21,5 km/h Durchschnitt – 216 Höhenmeter

Es stürmt die ganze Nacht. Entsprechend unruhig ist der Schlaf. Uwe studiert noch vor dem Aufstehen die Wettervorhersage. Dass es heiß wird, merkt man bereits jetzt. Hatten wir nicht gestern noch darüber hergezogen? Wichtiger aber ist der Wind. Stark. Sehr stark. Bis 10 Uhr noch mit großer Gegenwindkomponente, dann drehend über Nord und ab frühem Nachmittag dann mit zunehmendem Rückenwindanteil. Also können wir erstmal entspannt frühstücken und dann im vom Wind aufwirbelnden Staub unser Zeug möglichst schnell in die Taschen verpacken. Größte Aufgabe: Zelt im Wind abbauen. Wir füllen unsere Wasservorräte mit 29 Litern gänzlich auf, denn wir wollen den Wind so gut und so lange ausnutzen, wie eben möglich. Und es ist jetzt schon ziemlich heiß. Dann hat man uns an der Snackbar gestern zugesagt, dass wir frisches Gemüse bekommen können. So stocken wir eine Zucchini, eine Paprika, einen Salat und drei Tomaten sowie ein Stück Käse, Reiscracker und ein paar Plätzchen auf. Dann noch etwas ausruhen und um 11.30 Uhr schwingen wir uns auf die Räder. Der Wind dreht! Nach 12 km überqueren wir die Grenze zu Süd Australien. Noch ein kurzer Eisstopp am Roadhouse und weiter geht’s. Unser Fahrradtacho zeigt weit über 40 Grad an. Höchststand sind 49 Grad, obwohl er sich während des Fahrens in unserem Schatten befindet. Also trinken, trinken und trinken. Eine weitere Herausforderung liegt in dem auf südaustralischer Seite nicht mehr vorhandenem Seitenstreifen. 10 cm neben der Außenmarkierung endet der Asphalt und daneben gibt es nur noch losen Schotter. Und darauf fährt es sich extrem schlecht. Es heißt also den Verkehr nicht aus den Augen zu lassen, denn die Roadtrains sind schnell und laaaang. Und dann heißt es, möglichst schnell von der Straße zu verschwinden. Zumindest, wenn zeitgleich Gegenverkehr im Anmarsch ist.
Der Eyers-Highway, auf dem wir uns die letzten Tage befinden, führt nun dicht an die zumeist steil abfallende Küste heran und es gibt ein paar schöne Aussichtspunkte. Unsere Geschwindigkeit steigert sich mit drehendem Wind von anfangs 20-23 auf 27-32 Stundenkilometer und so kommen wir heute zur Abwechslung mal wirklich gut voran. Nur die Hitze gilt es mit Vorsicht zu genießen. Wir radeln so gut wir können, diesen Rückenwind wollen wir uns einfach nicht entgehen lassen. So machen wir neben einer Mini-Mittagspause mit ein paar Crackern und viel Flüssigkeit eine etwas längere Pause am späten Nachmittag und treten dann nochmal in die Pedalen. Auch zieht sich der Himmel jetzt langsam zu und es wird immer kühler und damit angenehmer. Und bald auch schon dunkel. Wir überlegen, ob wir die insgesamt gut 200 km bis zum nächsten Roadhouse durchziehen, entscheiden uns nach 150 km aber dagegen. Zum einen sind wir ziemlich müde, zum anderen hat der Wind in den letzten zwei Stunden deutlich abgeflaut, so dass uns die Sinnhaftigkeit fehlt. Also ein Plätzchen für’s Zelt gesucht, zum ersten Mal im Dunkeln, etwas Wasser zum Waschen investiert und schlafen.

Tag 11 der Nullarbor-Etappe: Donnerstag, 15. Oktober
Bushcamp – Nullarbor Roadhouse: 52 km
2:38 Std. reine Fahrzeit – 19,8 km/h Durchschnitt – 53 Höhenmeter

Nach einer windgeschüttelten Nacht – eine halbe Stunde nachdem wir im Schlafsack lagen setzte er wieder ein – werden wir nicht wirklich ausgeschlafen von der Sonne geweckt. Unsere Uhr zeigt 5:53, da kann etwas nicht stimmen. An der Grenze zu South Australia gab es eine weitere Zeitumstellung, allerdings haben wir versäumt nach der genauen Verschiebung zu fragen. Ein Schild an der Straße gab es diesmal nicht, wir haben zumindest keins gesehen. Um noch eine Weile Ruhe vor den schon sehr munteren Fliegen zu haben, frühstücken wir unser gewohntes Müsli im Zelt und packen anschließend zusammen. Und rauf auf’s Rad. Der Wind ist besser als vorhergesagt, dennoch ziehen sich die gut 50 Kilometer bis zum Nullarbor Roadhouse mächtig in die Länge. Die Landschaft wechselt immer wieder zwischen kleinen Büschen und sehr niedrigen Büschen. Faszinierend. Unendliche Weite und Natur. Eine Straße und alle paar hundert Kilometer ein Roadhouse. Dieses erreichen wir gegen Mittag und klären auch die Zeitumstellung auf. 1:45 Stunde nach vorn. Das heißt die Sonne geht nun um 7 auf und um kurz vor 20 Uhr unter. So lange Tage hatten wir bisher noch nicht in Australien. Eigentlich wollten wir uns zur Feier des Tages mal eine Cabin gönnen. Ist uns aber für das was sie bietet zu teuer, also doch wieder für 20 $ das Zelt in den Wind gestellt. Duschen, Wäsche waschen – es gibt eine Waschmaschine, Straßenkarte studieren und mögliche Routen für die Strecke ab Ceduna überlegen. Wir hatten fest auf die in allen Karten eingezeichnete Fährverbindung zwischen Cowell bzw. Lucky Bay und Wallaroo gesetzt, doch sind die Gerüchte inzwischen Gewissheit – sie ist seit ein paar Wochen eingestellt. Also umdisponieren.
Die Nullarbor wartet heute mit einer gänzlich anderen Stimmung auf als Gestern. Statt der über 40 Grad, dicht bewölkter Himmel, mancherorts Regen, wie die dunklen vertikalen Streifen am Horizont anzeigen, kalter Wind – er hat eine große Südkomponente und kommt somit direkt aus der Antarktis, während der gestrige aus Norden kam und damit Luft aus dem heißen Zentrums Australiens mit sich brachte. Und dann gibt es noch etwas, das uns auffällt: Seit wir in South Australia sind, haben wir noch nicht ein Känguru gesehen. Weder ein lebendes, noch ein totes. Komisch. Nein, nicht wirklich komisch. Die Nullarbor scheint hier nicht genügend Grünfutter herzugeben. Wir machen noch ein paar Fotos und essen im Roadhouse zu Abend. Die paar noch verbliebenen Lebensmittel heben wir uns für die nächsten Tage auf. Wieder einmal bestätigt sich unsere Erfahrung, dass man sich besser nicht darauf verlässt, an den Roadhäusern aufstocken zu können. Umso besser, dass es mit unserem Päckchen prima geklappt hat. Und nun schlafen. Hundemüde.

Pausentag: Freitag, 16. Oktober
Nullarbor Roadhouse

Es scheint so, als würde das australische Gegenwinderlebnis zum Pflichtprogramm eines jeden Australienumradlers gehören. Die, die im Norden gut durchkommen begegnen ihm im Süden und umgekehrt. Fällt wahrscheinlich in die Rubrik Demonstration der australischen Naturgewalten. Wir entschließen uns zu einem Pausentag. Die Beine sind müde und wir auch. Und da es draußen ziemlich stürmt, ziehen wir für heute nun doch in ein Motelzimmer um. Ist einfach erholsamer.

Tag 12 der Nullarbor-Etappe: Samstag, 17. Oktober
Nullarbor Roadhouse – Colona Rest Area: 118 km
7:08 Std. reine Fahrzeit – 16,47 km/h Durchschnitt – 555 Höhenmeter
Ach, was ist das Bett im Motel am „Nullarbor Roadhouse“ so bequem. Es ist schon sieben und hell draußen, als ich aufwache. Nicole schläft noch tief und fest. Bis wir mit Frühstücken und Packen fertig sind und auf den Rädern sitzen, ist es halb zehn. Die Landschaft ist besonders. Sträucher und Gras, kein Baum, soweit das Auge reicht. Was ist natürlich noch? Wind. Und zwar stark und aus Südost. So schaffen wir gerade mal sechzehn Kilometer in der Stunde. Ein paar Kilometer nach dem Start treffen wir auf Frank aus Brisbane, der uns mit seinem Liegerad entgegen kommt. Kurzer Plausch, dann geht’s gleich weiter. Wir passieren die Abzweigung zum „Head of Bight“, die Bucht, von der aus man Wale von Land aus beobachten kann, leider sind die Letzten schon auf dem Weg in die Antarktis.
Wir machen ein paar Fotos von der Reklametafel, da hält ein Auto mit Wohnwagen und die Leute sagen: „Euch haben wir doch schon mal getroffen, am Daily Waters Pub.“ Das war vor fünf Monaten, oben im Norden. Kleine Welt. Wir radeln weiter, die Strecke wird hügeliger und auch die Landschaft verändert sich. Bäume und vor allem – ziemlich fies stechende Bremsen. Marchflies. In großer Anzahl fallen Sie über uns her, alles Schlagen und Wedeln hilft nichts, auch nicht das Moskitospray und so verschieben wir die Mittagspause bis wir fünfzig Kilometer voll haben. Seitlich neben der Straße gibt´s Wraps vom Kocher, mit Käse und Salat. Lecker. Wir wollen noch noch weitere 50 Kilometer machen und dann auf einem Parkplatz das Zelt aufschlagen, also geht`s zügig weiter. Dass der Wind von vorne kommt, nehmen wir mittlerweile stoisch hin, wir registrieren nur noch, ob er gerade schwächer, stärker, oder sehr stark ist. Schließlich schaffen wir die uns vorgenommene Strecke bis zur Rest Area. Doch dort ist niemand sonst, außer Hunderten von stechenden Marshflies. Wenig gemütlich. Also noch einmal 20 Kilometer weiter, bis zur nächsten Rest Area. Hier ist es besser. Keine Marshflies mehr (denen ist es inzwischen zu kühl geworden), dafür aber ein Wohnmobil, so dass wir die Nacht nicht alleine auf dem großen Parkplatz verbringen müssen. Zelt aufbauen, kochen (Nudel mit frischem Gemüse, große Portion, so dass wir für Morgen noch etwas übrig haben) und dann ist auch schon Sonnenuntergang und für uns Zeit, in die Schlafsäcke zu kriechen. Vorher entdeckt Nicole noch direkt neben dem Zelt etwas Neues: Da ist ein exakt kreisrundes Loch im Erdreich, Durchmesser ca. 10 mm und soweit wir erkennen können vielleicht 50 mm tief. Darin sitzt eine mehr oder weniger große Spinne. Das Besondere jedoch ist: Neben dem Loch ist ein aufgeklappter “Deckel“ der aus verwebter Erde besteht und beim Umklappen passgenau und nahezu unsichtbar auf dem Loch sitzt. Wir lassen den Deckel offen, da die Spinne ihn wohl für Nachtaktivitäten geöffnet hat und erkunden natürlich am nächsten Morgen die Stelle: Der Deckel ist zu! Phantastische Natur.

Tag 13 der Nullarbor-Etappe: Sonntag, 18. Oktober
Colona Rest Area – Nundroo Roadhouse – Cohen Rest Area: 92 km
5:33 Std. reine Fahrzeit – 16,52 km/h Durchschnitt – 339 Höhenmeter
Gut geschlafen, bis kurz vor acht. Frühstücken, zusammenpacken und vor den Marshflies flüchten, die schon wieder munter sind und uns zerbeißen. Die ersten 27 km laufen prima. Wir sehen gleich zwei tote Schlangen, die wir versuchen zu identifizieren. Carpet Snake und – wir wissen es nicht. Der Wind ist fahrbar und wir freuen uns auf einen zweiten Kaffee. Am Nundroo Roadhouse spricht uns eine Frau mit den Worten „Ich bin in Mombasa geboren!“ an. Wir unterhalten uns eine ganze Weile sehr nett. Weiter geht’s. Wir wollen noch knapp 80 weitere Kilometer bis Penong, dem nächsten Roadhouse/Campsite schaffen. Uwe hat die Wettervorhersage gescheckt, der Wind dreht etwas auf Nord und ist zumindest kein Gegen- sondern Seitenwind. Zu früh gefreut. Der Wind dreht zwar, jedoch in astreinen Gegenwind mit deutlich mehr Kraft, als unsere Beine hergeben. Wenn uns einer der zahlreichen Trucks entgegen kommt, ist der anschließende Windsog so heftig, dass wir kurzzeitig fast auf der Stelle treten. Die Sache mit den Roadtrains ist augenblicklich eh so ein Thema. Seit der Grenze zu Südaustralien gibt es keinen Seitenstreifen mehr, was ein ständiges Beobachten des Verkehrs erfordert. Und heute müssen wir besonders häufig von der Straße auf den kieseligen, äußerst schlecht befahrbaren Straßenrand ausweichen. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi. Um 15.30 Uhr haben wir noch immer drei Fahrstunden vor uns. Keine schönen Aussichten bei einer Kilometerleistung von knapp über 15 Kilometern pro Stunde. Mehr ist nicht drin. Der Wind bleibt. Dazu kommt, dass Uwe seit heute Mittag Schmerzen in der Achilles Sehne hat, die stetig zugenommen haben und uns immer wieder zum Pausieren veranlassen. Wir entscheiden am nächsten Parkplatz Schluss für heute zu machen, sofern – ja, die Sache mit dem Wasser – sofern jemand anderes da ist, der uns mit Wasser für den Abend und die Nacht aushilft. So radeln wir der Rest Area entgegen und atmen auf, als wir dort ein Wohnmobil entdecken. Und ein zweites Mal, als Josef, ursprünglich in Österreich geboren aber schon lange in Australien lebend, uns mit Wasser versorgt. Danke. So können wir unser Nachtlager errichten, einen Salbenverband an Uwes Sehne anbringen und endlich etwas essen, das war heute nämlich Dank der allgegenwärtig nervenden Marshflies wieder etwas zu kurz gekommen. Gemüse von Gestern mit frischen Nudeln. Und trinken, trinken und noch mehr trinken. Es ist drückend schwül. Der Himmel hat sich mächtig zugezogen, am Horizont sieht man es andernorts schon wieder regnen. Wir werden sehen, was die Nacht bringt.
Ach ja, wir hatten heute auch noch drei tote Wombats. Gibt also doch welche hier. Stinken übrigens anders als tote Kängurus.

Tag 14 der Nullarbor-Etappe: Montag, 19. Oktober
Cohen Rest Area – Penong – Ceduna: 94 km
5:01 Std. reine Fahrzeit – 18,69 km/h Durchschnitt – 307 Höhenmeter
Die Nacht war leider wieder wenig erholsam. Es hat kräftig gewindet, doch trotz ein paar gefallener Regentropfen ist die Schwüle nicht wirklich gewichen. Die erste Nacht seit Monaten, in denen der Schlafsack zu warm war. Da die Fliegen schon vor uns wach sind verfrühstücken wir unseren letzten Müsli-Vorrat im Zelt. Uwe’s Achillessehne geht es scheinbar etwas besser. Wir packen zusammen und sitzen um neun auf den Rädern. Nach 17 Kilometern erreichen wir Penong, unser eigentliches Etappenziel von gestern. Beim kurzen Toilettenstopp kommen wir mit zwei Paaren ins Gespräch und erhalten ein paar Dollar Spende. Mit dem Auffüllen unserer Wasservorräte sind wir weniger erfolgreich. Trotzdem wir im Corner Shop 2 ½ Liter Flaschen a 5 $ kaufen, bekommen wir auf unser Nachfragen unsere zwei Trinkflaschen nicht mit Leitungswasser gefüllt. Das brauchen sie hier selbst. Manchmal sind wir doch überrascht. Da wir aber noch mehr Wasser brauchen, versuchen wir es an der Tankstelle. Im Corner Shop jedenfalls werden wir kein weiteres Geld lassen. Und siehe da – an der Tankstelle werden uns die Flaschen gegen einen Gold-Coin (Gold-Münze, was ein oder zwei Dollar meint) mit frischem Springwater (Quellwasser) aufgefüllt. Danke.
Wir verlassen Penong und radeln dem Ende der Nullarbor entgegen. Allerdings herrscht schon seit zwei Tagen kein Nullarbor-Feeling mehr. Die Buschlandschaft ist riesigen Getreidefeldern gewichen, die hier und da bereits abgeerntet sind. Nach ein paar Kilometern überholt uns ein Auto und hält einige hundert Meter vor uns am Straßenrand. Eine weitere Pepsi? Nein, eine Spende! Dies ist das erste Auto, das aufgrund unseres „radeln für Kenia“-Hinweises an unseren Fahrrädern anhält. Wir freuen uns sehr und nehmen die 20 $ dankend entgegen. Die beiden waren selbst schon in Afrika und gehören einer Gemeinde an, die eine ihrerseits eine Gemeinde in Uganda unterstützt. Wir könnten uns wahrscheinlich noch ewig unterhalten, doch ist es am Straßenrand wenig gemütlich und wir wollen endlich Ceduna erreichen. Da es wieder anfängt zu tröpfeln, ziehen wir unsere Mittagspause etwas vor und essen unsere letzten Wraps mit unserem letzen frischen Gemüse unter der gespannten Bodenplane von unserem Zelt. So ist der kurze Regen prima überbrückt. Auf zum Endspurt. Gegen 16:30 Uhr erreichen wir Ceduna und entscheiden uns für den Foreshore Caravanpark, auf dem wir unser Zelt aufschlagen.

Es ist geschafft. Nach etwas mehr als 1.300 Kilometern und 14 Fahr- sowie einem Pausentag haben wir die Nullarbor durchquert und könnten uns nun eine der käuflich zu erwerbenden „Wir-haben-die-Nullarbor-durchquert“-Urkunden ausstellen lassen. Im Gegensatz zu den Urkunden auf der Gibb-River-Road ist hier sogar die Rubrik ´Fahrrad` vorgesehen. Auch wenn die Etappe sehr anstrengend war, so war sie doch gleichermaßen beeindruckend. Nirgends auf unserer bisherigen Tour wurden uns die riesigen Ausmaße Australiens so deutlich bewusst wie hier. Weite, Natur und .. naja, Wind. Insbesondere der Pausentag am Nullarbor-Roadhouse hat die besondere Stimmung dieser Region sehr intensiviert. Nun werden wir die Bedeutung des Ortes Ceduna – was in der Sprache der Aborigines so viel meint wie Rast- bzw. Ruheplatz – aufgreifen. Uwe´s Achillessehne ist nach dem heutigen Fahrtag wieder deutlich schlechter gelaunt und bedarf wohl einer ordentlichen Pause. Schließlich muss sie wieder voll einsatzfähig sein, denn bis Sydney haben wir noch immer ein gutes Stück Weg vor uns.

 

 

 

 

 

2 Antworten auf „Die Nullarbor! Esperance bis Ceduna: 1.359 km – macht 15.072 km“

Hallo Ihr Beiden,
juhuu, ein neuer Bericht 🙂 Es kommt richtig rüber, welch Durchhaltevermögen Ihr bei dieser schwierigen Etappe zeigen mußtet – Respekt!!! Ich wünsche Euch für den Rest der Strecke bis Sydney günstigen Wind, viel Abwechslung, wenig Fliegen, ab und zu mal ein Croissant zum Frühstück und gute Besserung an Uwes Achilles-Ferse.
Liebe Grüße vom herbstlichkalten Bodensee,
Freia

Congratulations on a great ride which you survived. Hope you can have a short rest & that Uwe’s injury heals quickly. We enjoy reading your write ups & have had a few laughs at your expense. Hope you make Sydney in time to catch your flight home.
Best wishes,
Pat & Harvey.

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