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Venedig 2014

Keep calm and enjoy Venice

Hier nun die angekündigten Zeilen über das Schicksal unserer Räder…

Am Mittwoch Abend erreichen wir Padua. Mangels Campsite und gemäß der schlechten Wettervorhersage für die Nacht suchen wir uns ein Hotel, was sich bei späterer Betrachtung der Regengüsse und zuckenden Blitze als gute Entscheidung herausstellt. Am Donnerstag ist Nicoles Geburtstag. Wir wollen einen entspannten Tag in der Stadt verbringen, bevor wir uns am Samstag zu unserer letzten Etappe nach Venedig aufmachen.

Da Padua eine recht große Stadt ist, nehmen wir unsere Räder aus der Hotelgarage mit, was sich im Gegensatz zum Hotel nicht als gute Entscheidung erweist. Als wir nämlich nach der Besichtigung der „Cappella degli Scrovegni“, in der es berühmte Wandmalereien des Malers Giotto zu sehen gibt, wieder zum Fahrradständer zurückkehren, erscheint uns dieser irgendwie seltsam. Nach einer Sekunde der Orientierung begreifen wir – unsere Räder sind weg. Jeder, dem schon mal ein Rad geklaut wurde kennt dieses Gefühl der Desorientierung. „Haben wir sie doch woanders geparkt?“ – „Nein.“ – „Klaut tatsächlich jemand ausgerechnet unsere Räder?“ – „Die Räder mit denen wir 1386 km bis hier her geradelt sind. Und das einen Tag vor dem „Einradeln“ nach Venedig?“ – „Offensichtlich“ – „Und dann auch noch ausgerechnet an Nicoles Geburtstag?“ – „Ja. Leider.“

Nachdem wir die nähere Umgebung erfolglos nach unseren Rädern abgesucht haben machen wir uns auf den Weg zur nächsten Polizeistation. Dort wird der Schaden aufgenommen, doch Hoffnungen macht man uns keine. Wir laufen ziellos umher, schauen eigentlich immer nur, ob wir unter all den zahlreichen Rädern Paduas unsere entdecken, bis wir uns schließlich irgendwo hinsetzen, um uns von dem Schreck zu erholen.
Irgendwie wollen wir nicht wahrhaben, dass unsere Radeltour ein solches Ende nehmen soll. Wir überlegen, was wir tun können. Uwe hat die Idee, unsere Geschichte einer Zeitung zu berichten und als er eine am Nachbartisch sitzende, heimisch erscheinende Gruppe nach dem Namen einer hiesigen Tageszeitung fragt, ist unter ihnen Marco – ein Journalist. Unsere Geschichte ist schnell umrissen, er macht ein paar Telefonate und wir verabreden für den nächsten Morgen einen Interviewtermin.

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Als wir am Freitag Morgen mit Marco und Alice von der Zeitung bei einem Café auf der Piazza zusammensitzen, springt Marco plötzlich auf und ist im Menschengewusel verschwunden. Als er wieder auftaucht erklärt er uns, dass er eine ihm bekannte TV-Journalistin des Lokalfernsehens entdeckt habe, der er unsere Geschichte erzählt hat und die uns ebenfalls interviewen würde, falls wir möchten. Und ob wir möchten. Denn zum Einen wollen wir noch immer nicht, dass unsere Tour mit einer Zugfahrt nach Venedig endet und zum Anderen liegt uns vor allem die Wiederbeschaffung von Uwe’s Rad am Herzen, das in Wirklichkeit ja Michael gehört. Und diese Freundschaftsleihgabe möchten wir einfach nicht enttäuschen.

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Nach absolviertem Zeitungs- und Fernsehinterview begleitet uns Morena vom Sender telenuovo.it noch auf die Stadtverwaltung, bei der man solche Delikte ebenfalls zu Protokoll geben kann. In ihrer professionellen Art hat sie sich schnell bis zur höchsten Stelle durchgearbeitet, wo unserem Fall gleich höchstmögliche Priorität zugewiesen wird. Daneben bekommen wir von oberster Stelle einen Bildband von Padua geschenkt – in Deutsch versteht sich – damit wir auch die schönen Seiten dieser Stadt zu sehen bekommen.

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Die Resonanzen zu unserer Geschichte reichen von „welcome in Padua“ bis hin zu aufrichtiger Anteilnahme. Je mehr Leuten wir davon erzählen, desto deutlicher wird das Bild von Padua als Hochburg der Fahrradkriminalität, die sogar international betrachtet hier ihren Ursprung nimmt. Es gibt wohl kaum jemand in dieser Stadt, dem nicht schon einmal ein Rad geklaut worden ist. Das tröstet uns nur bedingt. Und als wir am Nachmittag mit dem Zug über die Brücke nach Venedig einfahren, hält sich das Glücksgefühl sehr in Grenzen. Auch wenn wir wissen, dass es ja eigentlich „nur“ ein materieller Schaden ist, kann der Zug nach all den geradelten Kilometern das Gefühl des „Einradelns“, des „Ankommens am Ziel“ nicht ersetzen. Wir denken an die schwarze Frau auf dem Polizeipräsidium, mit der wir beim Warten in Kontakt kamen. Sie war am Bahnhof in Padua niedergeschlagen und ihres Gepäcks beraubt worden. Ihr Kommentar zu einer weiteren Leidensgenossin, der man bei einem Einbruch in ihre Wohnung die gesamten Ersparnisse entwendet hatte: „That’s life, sister.“ Ja, vielleicht ist das Leben so. Vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall haben uns die Erlebnisse rund um diese Geschichte sehr beschäftigt. Und so ist unsere Geschichte der gestohlenen Fahrräder nicht einfach nur eine Geschichte von zwei gestohlenen Fahrrädern, sondern auch die Geschichte von Fassungslosigkeit, Traurigkeit, Wut und Enttäuschung, von Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit, von Verzweiflung, Unverständnis und Mitgefühl und von zahlreichen Fragen und vielen Begegnungen, deren Erzählungen hier einfach den Rahmen sprengen würden.

 

Auf jeden Fall aber sind wir nun in Venedig und haben heute ein T-Shirt entdeckt, das wie für unsere Situation gemacht ist: ‚keep calm and enjoy venice‘. Zu Deutsch: bleib locker und genieße Venedig. So haben wir’s versucht und wer weiß, vielleicht geschieht ja doch noch ein Wunder… so wie es die Frau am Schalter des Bootsteges heute erlebte, als sie fassungslos feststellte, dass der Chip in Uwe’s versehentlich mitgewaschener Fahrkarte noch funktionierte.

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Nachfolgend ein paar Eindrücke zu Venedig – schon sehr sehenswert aber auch ganz schön überlaufen.

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5 Antworten auf „Keep calm and enjoy Venice“

Herzlich Willkommen am Ziel eurer Reise! Gebt’s zu, der Hintern tat zu weh… 😉 Ich denke, ihr lächelt mittlerweile darüber. Das T-Shirt ist echt cool!
Schön, dass ihr es so weit geschafft habt! :-)))))

Hallo Ihr 2,
von Zeit zu Zeit habe ich immer mal wieder mit viel Freude Eure Reise verfolgt.
Ich find’s total schön, dass Ihr das zusammen unternommen habt.
Dass Eure Fahrräder einen so unfeinen Abgang gemacht haben ist natürlich blöd und gemein. Andererseits hatte das aber ja auch positive Aspekte. Zum Einen, dass es erst am Ende der Tour passierte, und zum Anderen hat es ja auch zu besonderen Begegnungen geführt. 🙂
Aber wer weiß, so abgefahren wie die Italiener manchmal sind bringen die es fertig, dass in ein paar Tagen jemand mit Euren Fahrrädern vor Eurer Haustür steht und den Dieb dazu an den Ohren heranschleift, damit der sich bei Euch entschuldigt. Wenn MAAAMA das so befielt, dann hat das so zu geschehen!
Ist doch zumindest ein schöner Gedanke.. :-))
Liebe Grüße von Herzen
Christoph

Hey….natürlich blöd mit den Rädern…aber ansonsten voll coole Sache!!!

Da bekommt man echt Lust auch mal wieder was Außergewöhnliches zu starten!

Schöne Zeit noch…und immer schön aufpassen!

Hallo Ihr Zwei,
gerade habe ich den Bericht Eurer abenteuerlichen Fahrradreise gelesen und habe mit Euch gefroren und genossen, Muskelkater gehabt, die frische Luft gerochen, hatte den süßen Geschmack der Kirschen im Mund, habe mich mit Euch über den Verlust der Fahrräder erschreckt und letztendlich mit Euch das Ziel der Reise erreicht.
Vielen Dank für diesen tollen Bericht und auf ein baldiges Wiedersehen,
Freia

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