Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg und verlassen – mit einem weinenden und einem lachenden Auge – Cape Tribulation und den Daintree Regenwald. Mit einem weinenden Auge deshalb, denn wir könnten hier noch viel Zeit verbringen, mit Wanderungen und geführten Touren bei denen man viel über die Lebensformen des weltweit ältesten Regenwaldes erfährt.
Mit einem lachenden Auge, weil gerade die Osterfeiertage sind und die Campside dementsprechend voll und lärmend ist. Wir nehmen jedoch nicht nur Abschied vom Regenwald, sondern auch vom Pazifik, der uns seit Anfang unserer Reise begleitet hat und uns nun so vertraut ist. Ein seltsames Gefühl, um nicht zu sagen eine Traurigkeit beschleicht uns und so fahren wir wieder die gleiche – bezaubernd schöne – Straße durch den Regenwald in Richtung Daintree-River zurück um ein letztes Mal diese außergewöhnliche Landschaft aufzusaugen. Mit der Fähre geht es über den Fluß und weiter nach Daintree Village, ein kleines Dorf am Fluß, das zwar nicht an unseren Weg liegt, aber wir möchten die Gelegenheit nutzen um bei einer Bootstour – vielleicht – Krokodile zu sehen. Das kleine Örtchen ist uns sofort sympatisch und der Campside liegt in unmittelbarer Nähe zum Fluß. Und tatsächlich kann der erfahrene Bootsführer uns zwei der legendären „Salties“, Salzwasserkrokodile, zeigen. Wir befahren einen Bereich des Flußlaufes, der schon ca. 20 km von der Meeresmündung entfernt liegt und doch finden die Reptilien hier im kristallklaren Süßwasser ihren Lebensraum.
Am nächsten Morgen brechen wir auf in Richtung „Tablelands“, die Bergregion, die die Ostküste und das Inland teilt. Wir wissen, dass es ein langer steiler Aufstieg ist und doch müssen wir in Moosman unsere Vorräte aufstocken, denn die Lebensmittel neigen sich dem Ende. Umso mehr verblüfft uns, dass wir am Abend relativ entspannt den ersten Zeltplatz auf den Bergen erreichen, wahrscheinlich sind wir nun doch gut eingefahren. Dass wir nun in den Bergen sind, zeigt sich sogleich mehrfach: Es regnet und sowohl die Temperatur als auch die Luftfeuchtigkeit sind um einiges geringer. Die nächsten Tage fahren wir durch die hügelige und teilweise anstrengende Bergregion um weiter südlich auf den Savanna Way zu stoßen, der uns dann in Richtung Westen führen soll. Die Landschaft und die Städtchen sind angenehm, wir suchen in der Stadt Atherton Schnabeltiere – und finden keine – und haben auf einer Campside bei Herberton unser erstes Lagerfeuer auf dieser Reise. Für uns als „Lagerfeuerfreunde“ kaum zu glauben, doch bisher haben uns die Tages- und Nachttemperaturen eher an ein kaltes Getränk als an Lagerfeuer denken lassen.
Nach Herberton möchten wir unbedingt eine sogenannte „Backroad“, eine unbefestigte Piste, durch das „Silver Valley“ (Silbertal) fahren, zum Einen weil wir denken, dass es landschaftlich reizvoll ist, zum Anderen denken wir, dass es eine Abkürzung für unseren weiteren Weg ist. Diese Entscheidung entpuppt sich als, nett formuliert, teilweise richtig, denn die Landschaft ist sehr schön, doch die Piste ist ein einziges Auf und Ab und in einem Zustand, der fahrtechnisch einiges abverlangt. Wieder einmal sind wir froh, dass unsere Räder auch bei rauhen Bedingungen absolut zuverlässig ihren Dienst leisten und die Rohloff-Schaltung hat an diesem Tag einiges zu tun. Dieser Tag hat jedoch noch zwei Besonderheiten zu bieten, denn nachdem wir die ca. 40 km harte Piste absolviert haben und wieder auf Teer unterwegs sind, liegen heiße Quellen an unserem Weg und wir nutzen die Gelegenheit zur Pause mit warmen Bad in den Quellen. Kurz vor Erreichen unseres Camps holt uns ein Radfahrer ein – bepackt wie wir für eine längere Tour. Was für eine Überraschung. Der Schweizer Radfahrer Markus, wie sich herausstellt, ist in Melbourne gestartet und für fünf Monate in Australien per Rad unterwegs. Er möchte den Savanna Way bis Daily Waters fahren, so haben wir ein Stück weit den gleichen Weg. Wir verstehen uns auf Anhieb sehr gut und so beschließen wir, die nächsten Tage zusammen im „Dreierpack“ zu radeln. Und das macht richtig Spaß. Wir können uns Abwechseln mit dem „im Wind fahren“ und so schaffen wir einiges an Strecke. Es ist wenig Verkehr und die Landschaft ist für das Auge ein Genuss. Waren entlang der Ostküste die Orte und die Infrastruktur alles eng zusammen, so zeigt sich hier so langsam das Australien, welches wir mit dem Land verbinden: Lange Etappen mit NICHTS! Kein Verkehr, keine Menschen, keine Zivilisation, kein Lärm – stattdessen: Kängurus, Rinder, Kakadus in weiß, schwarz, rosa und bunt, kleine Bäche und große Flüsse (zum Glück ist die Regenzeit vorbei) und endlose Weite. Wir tasten uns an die Etappenlängen heran und zu Dritt schaffen wir Tagesetappen, für die wir eigentlich zwei Fahrtage eingeplant hatten. So fahren wir zweimal hintereinander jeweils ca. 150 km und wir erreichen zwar erschöpft, aber auch sehr zufrieden die Stadt Normandon.
Hier haben wir einen gemeinsamen Pausentag und wir sind schon seit Tagen am Überlegen, ob wir unseren ursprünglichen Plan nach Mount Isa (von Normandon ca. 520 km) in Richtung Südwesten zu fahren ändern um stattdessen zusammen mit Markus den Savanna Way bis nach Daily Waters (von Normandon ca. 1100 km) westlich zu fahren. Die Idee ist für uns sehr reizvoll, zum einen ist die weitere Strecke eine legendäre Outback- Route, zum anderen verstehen wir Drei uns sehr gut und würden gerne noch zusammen radeln. Ein Besuch in der Touristeninformation lässt uns jedoch zu unserem ursprünglichen Plan zurückkehren: Die Strecke ist herausfordernd, durch die vergangenen Regenfälle in einem schlechten Zustand und in den vergangenen Tagen wurden einige Autos geborgen, die aufgrund der Pistenverhältnisse liegen geblieben waren. So trennen sich leider unsere Wege und wir radeln Richtung Mount Isa. In fünf Fahrtagen möchten wir die Strecke schaffen, dazwischen liegt ein „Roadhaus“ (Tankstelle mit Raststätte) und nach der vierten Etappe eine Stadt, wo denken, nochmals Vorräte und Wasser tanken zu können. Nach einer Nacht im Busch erreichen wir am nächsten Abend das Roadhaus und erfahren, dass das Wasser zwar für die Dusche gut ist, Trinkwasser jedoch nur in Kanistern verkauft wird. Hier treffen sich auch die Trucker der langen „Roadtrains“, LKW´s mit drei bis vier Anhängern und der Trucker Mike bietet uns spontan an, unseren Wassersack aus seinem Trinkwassertank zu füllen, wieder einmal erleben wir die australische Hilfsbereitschaft.
Nach einer weiteren Teer- Etappe und „Bushcamp“ entscheiden wir uns eine Piste zu nehmen, da der Wind direkt aus Süd gegen uns bläst und wir nur 15 km in der Stunde schaffen. Die Lebensmittel reichen für ein weiteres „Bushcamp“ und die Strecke ist kürzer als die Teerstrecke. Diese Entscheidung hat wieder einmal zwei Seiten: Eine Landschaft, an der man sich nicht satt sehen will und eine Piste mit Höhenprofil und in schlechten Zustand. Der erste Pistentag verkürzt sich noch dadurch, das einiges an Zeit aufwenden, um Wasser aus einen Creek zu filtern. In der darauf folgenden „Buschnacht“ rüttelt der Wind schon so heftig das Zelt, dass wir denken: OK, wenn morgen der Wind genauso aus Süd bläst, dann wird´s anstrengend. Und so ist es auch: Wir stehen früh auf und kurz nach Sonnenaufgang und einen geflickten „Schleichplatten“ vom Vortag sind wir unterwegs. Die Piste und der Wind sorgen dafür, dass wir für ca. 80 km Piste und ca. 20 km Teer eine reine Fahrzeit (Pausen abgezogen) von 7 Std. und 30 min haben. So erreichen wir Mount Isa ziemlich müde und sind froh, als wir bei Belinda ankommen. Belinda ist Mitglied bei „warmshower“ und wir sind eingeladen, einige Tage bei Ihr zu wohnen. Das genießen wir gerade und tanken Kraft und Vorräte für den nächsten Etappenblock nach Tennant Creek. Auch die Räder bedürfen Pflege, so können wir hier bei Belinda den nötigen Ölwechsel für die Rohloff- Schaltung machen und die Pisten haben an den Rädern so manche Spuren hinterlassen, die es nun gilt, wieder ins Reine zu bringen.
Inzwischen haben wir die Fünftausender-Marke überschritten und gerade die letzten 1.325 km vom Cape Tribulation bis nach Mount Isa sind wir in 14 Fahr- und zwei Ruhetagen „geradelt“. Für uns ist das eine neue Erfahrung, denn entlang der Ostküste waren die Etappen bedeutend kürzer, da ein „Point of Interest“ den nächsten ablöste. Entlang der Küste war es sehr schön und auch der Regenwald war beeindruckend, doch haben hier im Outback gerade die langen und „einsamen“ Etappen eine ganz besondere Faszination, eine Art von ehrlicher Tiefe, die sich schwer beschreiben lässt. Einfach ausgedrückt würde ich es so formulieren: Dachte ich während der bisherigen Zeit oftmals „Och ja, wie schön!“, so denke ich jetzt gerade: „Wow, was für ein Land…“.
1 Anwort auf „Cape Tribulation bis Mt. Isa: 1325 km – macht 5126 km“
Hey Ihr zwei Lieben! Toller Bericht! Da habt Ihr auch einige anstrengende Gravel Road Kilometer hinter Euch, bravo! Danke für die nette Erwähnung des Schweizer Radlers :-). Ich kann es nur erwidern: It was amazing with you, guys! See you hopefully again in a few days! I’m looking very much forward to it. Happy & save pedaling, Markus